Die 11 häufigsten Mythen über öffentliches Reden
Bei dem Gedanken, vor einem Publikum zu sprechen, fühlen sich viele Menschen so, als würden sie im Schwimmbad oben auf dem 5-Meter-Turm stehen, um zu springen. Es ist eine dieser universellen Ängste, die tief in unserer Psyche verwurzelt sind und oft durch eine Reihe hartnäckiger Mythen und Missverständnisse genährt werden.
Gerade für Redeanfänger kann der Mythos, dass nur geborene Redner überzeugend auf der Bühne stehen können, lähmend wirken. Doch wie so oft entspricht das Flüstern der Mythen nicht der Wahrheit.
Stell dir vor, selbst jemand wie Mark Twain, bekannt für seinen trockenen Witz und seine prägnanten Reden, hatte einst mit Lampenfieber zu kämpfen. Wie anders sollte man sein Zitat interpretieren.
Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.
Mark Twain
Tatsächlich gibt es keine unüberwindlichen Barrieren auf dem Weg zu einer beeindruckenden Rede – nur falsche Vorstellungen, die es zu entlarven gilt.
In diesem Blogartikel räume ich mit den 11 häufigsten Mythen über öffentliches Reden auf. Du erfährst, dass jeder, ja sogar du das Zeug zum Redner hast.
Falls der Gedanke, vor Publikum zu sprechen, bei dir für mehr Aufregung sorgt als ein Zahnarztbesuch, dann ist dieser Artikel dein seelischer Beruhigungstee. Wir werden gemeinsam elf falsche Annahmen zerlegen und durch praktische Wahrheiten ersetzen.
Bist du bereit, deine Befürchtungen beiseitezulegen und die Welt des Redens mit neuem Selbstvertrauen zu erkunden?
Mythen erweisen sich langlebiger als wissenschaftliche Erkenntnisse.
Helmut Glaßl
Mythos Nr. 1: Gute Redner haben ein natürliches Talent
Niemand wird als Redner geboren. Es kam noch nie jemand aus dem Mutterleib heraus und redete munter drauf los. Großartige Sprecher werden aufgebaut, nicht geboren. Bei der Entwicklung öffentlicher Redefähigkeiten ist „Fähigkeiten“ das Stichwort.
Niemand betritt die Bühne als perfekter Redner. Hinter jeder begeisternden Präsentation stehen Stunden der Vorbereitung, zahllose Versuche und Fehler sowie ein kontinuierliches Feedback, das zur Verbesserung genutzt wird.
Öffentliches Reden kann eine angstfreie Fertigkeit sein, die man kontrolliert, wenn man weiß, wie. Anstatt Dinge zu tun, um die Aufgeregtheit abzubauen, arbeiten die meisten unerfahrenen Redner hart daran, ihre Nervosität zu verbergen.
Gute Redner zeichnen sich durch ihre Entschlossenheit aus, sich selbst zu verbessern und ihre Botschaft klar und wirkungsvoll zu übermitteln.
Erfolg zu haben ohne ein Talent, ist ein großes Talent.
Ulvi Gündüz
Mythos Nr. 2: Angst vor öffentlichen Reden ist immer schlecht
Einer der am weitesten verbreiteten Mythen über die Angst vor öffentlichen Reden ist, dass es sich immer um eine negative und schädliche Erfahrung handelt, die vermieden oder beseitigt werden sollte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Angst vor öffentlichen Reden ist eigentlich eine natürliche und anpassungsfähige Reaktion. Daher kann sie dir helfen, dich besser vorzubereiten und bessere Leistungen zu erbringen. Es kann deine Wachsamkeit, Energie und Motivation steigern sowie dein Gedächtnis und deine Aufmerksamkeit verbessern.
Der Schlüssel liegt darin, deine Angst in den Griff zu bekommen, nicht sie vollständig loszuwerden. Du kannst dies tun, indem du deine Gefühle anerkennst, sie als Aufregung umdeutest und Entspannungstechniken vor und während deiner Rede anwendest.
Es sind die Hingabe und die Bereitschaft zu lernen, die jemanden auf der Bühne wirklich auszeichnen.
Angst hat der, der Angst hat, seine Angst zu zeigen.
Hassan Mohsen
Mythos Nr. 3: Ich bin kein Rednertyp
Das klingt eher nach einer Ausrede, um es nicht versuchen zu müssen. So etwas wie einen „Öffentlichen-Redner-Typ“ gibt es nicht. Jeder kann ein ausgezeichneter Redner sein. Ja, sogar du.
Denn wir alle sprechen in der Öffentlichkeit. Öffentliches Reden geht weit über das Stehen auf einer Bühne vor 100 Menschen hinaus. Wir präsentieren uns ständig. Jedes Mal, wenn du in deinem Job, unter Freunden oder in deinem Verein deinen Mund öffnest, ist das öffentlich reden. Tatsächlich ist das Leben eine einzige große Präsentation.
Jetzt weißt du es. Lass dir für deine nächste Entschuldigung etwas Besseres einfallen als „Ich bin kein Rednertyp!“
„Ich kann nicht“ ist eine Ausrede. „Ich will nicht“ ist ehrlicher und fördert die Eigenverantwortung.
Christian Bischoff
Mythos Nr. 4: Gute Redner sind gelassen
Ich kann in meinem Job und während meiner ehrenamtlichen Tätigkeiten auf weit mehr als 500 Auftritte zurückblicken.
Trotzdem spüre ich immer noch, bevor ich vor Publikum das Wort ergreife, dieses durchbohrende Gefühl, was meinen inneren Schweinehund aufweckt: „Wäre es nicht entspannter, jetzt gemütlich zu Hause auf dem Balkon zu sitzen und den Vögeln beim Nestbauen zuzusehen?“
In mir drin ist es vor Auftritten alles andere als gelassen. Auch wenn ich nach außen „cool“ rüberkomme. Für mich gehört ein Teil Nervosität dazu. Es ist für mich ein Ausdruck von Respekt und Dankbarkeit gegenüber dem Publikum.
Redeangst ist keine Schwäche, sondern die absolute Stärke, deinem Publikum die Wertschätzung zu geben, um mit ihm auf Augenhöhe zu agieren.
Versuche also nicht, die Nervosität vollständig zu beseitigen. Beseitige jedoch die Mythen, die dich zurückhalten, denn dann musst du Mythos Nummer 5 nicht mehr lesen.
Gelassen ist, wer den Knoten im Taschentuch vergißt.
Kurt Haberstich
Mythos Nr. 5: Ich bin viel nervöser als alle anderen
Internationale Umfragen zeigen, dass 90 % der Menschen Angst vor öffentlichen Reden haben oder Lampenfieber verspüren. Allerdings sind die meisten Nervositätssymptome für das Publikum unsichtbar.
Ein gutes Beispiel ist mein erster Vortrag vor Publikum. Als ich oben auf dem Podium stand, begann ich zu schwitzen. Meine Knie wurden weich. Ich konnte das Herzrasen in meinen Ohren hören. Meine Hände zitterten.
Was haben all diese Dinge gemeinsam?
Es waren Reaktionen, die ich fühlte, aber die Zuschauer haben das in meiner Körpersprache nicht wahrgenommen. Das ergaben die Aussagen von Kollegen im Saal, die ich nach dem Symposium befragte. Dabei war ich überzeugt, dass dem Publikum meine Nervosität durchaus bewusst wäre.
Für die Zuschauer war mein Auftritt souverän und kontrolliert. Ich aber dachte: „Warum bin ich der einzige nervöse Redner?“
Heute weiß ich, dass selbst professionelle Redner nervös werden.
Daher kann sich ein Sprecher, bei dem diese Symptome auftreten, sehr allein fühlen. Der Redner geht davon aus, dass dem Publikum die Nervosität durchaus bewusst ist. Aber wenn derselbe Moderator anderen beim Sprechen zuschaut, wirken diese selbstbewussten Redner alle souverän und kontrolliert. Der nervöse Redner beginnt zu denken: „Warum bin ich der einzige nervöse Redner hier?“
Die meisten unerfahrenen Redner überschätzen, wie sehr sich ihre Angst zeigt und wie sehr ihr Publikum sie wahrnimmt. Tatsächlich sind die meisten Zuhörer unterstützend, einfühlsam und konzentrieren sich auf den Inhalt deiner Rede, nicht auf deine Nervosität.
Denk immer daran, dass Nervosität ein ganz natürlicher Teil einer Rede ist. Glaube nicht an die Mythen, dass nur ein Neuling nervös ist und daher nicht als Experte gilt, wenn es um öffentliche Reden geht. Nerven sind normal, sie müssen nicht beseitigt, sondern nur kontrolliert und ins rechte Licht gerückt werden.
Nervosität ist das Gefühl, ständig unter Hochspannung zu stehen.
Helga Schäferling
Mythos Nr. 6: Redeangst behält man immer
Ein sechster weitverbreiteter Mythos über die Angst vor öffentlichen Reden ist, dass es sich um eine feste und unveränderliche Eigenschaft handelt. Aber auch das stimmt nicht.
Du wirst nicht mit Redeangst geboren, die du dann nie mehr ändern kannst. Angst vor öffentlichen Reden ist kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern ein erlerntes Verhalten, das modifiziert und verbessert werden kann.
Du kannst diesen Mythos infrage stellen, indem du deine Denkweise änderst. Das bedeutet, dass du den Glauben annimmst, dass du deine Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Anstrengung und Feedback entwickeln kannst.
Du kannst diesen Mythos aber auch infrage stellen, indem du dich öffentlichen Reden aussetzt, aus deinen Erfahrungen lernst und deine Fortschritte feierst.
Nichts ist für die Ewigkeit und alles ist für immer.
Reinhold Bertsch
Mythos Nr. 7: Ein neues Outfit verschafft mir Selbstvertrauen
Es gibt nichts Schlimmeres, als während einer Präsentation mit einem neuen Anzug, Schuhen oder Kleid zu kämpfen, das nicht ganz passt. Natürlich ist es wichtig, sich angemessen zu kleiden, aber noch wichtiger ist es, sich wohlzufühlen.
Klamotten, die »in« sind, nennt man Outfit.
Klaus Klages
Mythos Nr. 8: Du musst deine Rede mit einem Witz beginnen
Besser nicht. Du musst nicht lustig sein, um effektiv zu sein. Verwende Humor oder Ironie, anstatt einen Witz zu erzählen.
Denk daher daran, um welche Art von Veranstaltung es sich handelt und welche Art von Rede du hältst.
Mein Tipp: Beginne einfach mit einer guten Geschichte.
Wer Witz hat, erzählt keine Witze.
Ulrich Erckenbrecht
Mythos Nr. 9: Die besten Reden werden auswendig gelernt
Eine Rede zu halten ist etwas anderes, als ein Theaterstück vorzutragen. Bei letzterem wird erwartet, dass du deinen Text auswendig vorträgst. Wenn aber Reden Wort für Wort auswendig gelernt werden, besteht die große Gefahr, dass sie für das Publikum langweilig und eintönig wirken.
Es ist effektiver, sich einen roten Faden deiner Rede zu merken, nicht Wörter. Mit dieser Methode kommst du authentischer bei deinen Zuschauern rüber. Wenn du ein Wort vergessen hast, kannst du deine Aussage anders darlegen oder zu einem neuen Punkt übergehen. Dein Publikum wird den Unterschied nicht bemerken.
Vermeide nach Möglichkeit die Verwendung von Manuskripten, denn eine gute Rede ist emotional und interagiert mit dem Publikum.
Erstaunlicherweise nennen sie es ‚auswendig lernen‘, obwohl es inwendig geschieht …
Wolfgang J. Reus
Mythos Nr. 10: Du musst gescheiter sein als dein Publikum
Das entspricht einem Fantasiegebilde!
Beim öffentlichen Reden geht es weniger um die Diplome oder die Überlegenheit des Wissens. Erwartet wird die Fähigkeit, Informationen auf eine Weise zu vermitteln, die inspiriert und in Resonanz mit dem Publikum zu kommen.
Die effektivsten Redner sind oft diejenigen, die in der Lage sind,
- komplexe Ideen auf einfache und verständliche Weise zu präsentieren,
- eine emotionale Verbindung herzustellen und
- ihre Zuhörer dazu zu bringen, eine neue Perspektive zu betrachten oder
- zu einer bestimmten Handlung motiviert zu werden.
Daher ist es wichtiger, dich auf die Bedürfnisse und das Verständnisniveau deines Publikums zu konzentrieren, anstatt zu versuchen, deren Intelligenz zu übertreffen.
Indem du dich auf eine klare und inklusive Kommunikationsweise konzentrierst, kannst auch du unabhängig vom relativen Wissensstand ein überzeugender und wirkungsvoller Redner sein.
Andere sind dümmer als wir; was uns auch nicht gescheiter macht.
Walter Ludin
Mythos Nr. 11: Öffentliche Reden sind für die Ewigkeit gemacht
Öffentliches Reden ist meist flüchtig. Du hast einen guten Job getan, wenn die meisten deiner Zuhörer sich an bis zu 40 Prozent dessen erinnern, was du vermittelt hast. Mit der Zeit bleibt noch viel weniger davon erhalten.
Diese Tatsache ist für dich als Redenanfänger beruhigend, aber auch herausfordernd. Einerseits deutet es darauf hin, dass bei öffentlichen Äußerungen Raum für menschliches Versagen besteht. Andererseits stellt es dich vor die Herausforderung so gut wie möglich vorbereitet zu sein und dich darum zu bemühen, die schlechten Aufnahmefähigkeiten der meisten Zuhörer zu überwinden.
Aus dem Grund ist es wichtig, zum Schluss deines Vortrags Links zu deiner Webseite oder Newsletter zur Verfügung zu stellen.
Nichts ist für die Ewigkeit und alles ist für immer.
Reinhold Bertsch
Schlussbemerkung
Da nun einige dieser Mythen entlarvt sind, kannst du dich hoffentlich selbstbewusster fühlen, wenn es um öffentliche Reden geht!
Versuch es also noch einmal. Glaube nicht den Mythen, die die Gesellschaft erfunden hat. Wenn du deinen Erfolg daran festmachst, könntest du ins Hintertreffen geraten. Ohne es zu versuchen, wirst du nie deinen Wert und die Zielgruppen kennen, die du erreichen könntest.
Lass dich nicht von der Angst vor dem Sprechen oder Fehlern davon abhalten, ein Vordenker zu werden. Fehler sind unvermeidlich und Perfektion gehört auch zu den Mythen.
Der Mensch ist das eine, seine Mythen sind sein Verderben.
Raymond Walden
PS: Danke fürs Lesen. Weitere umsetzbare Ideen findest du in meinem beliebten E-Mail-Newsletter. Jede Woche teile ich lehrreiche Tipps, die dir dabei helfen, deinen besten Vortrag aller Zeiten zu halten. Melde dich hier kostenfrei an und hol dir zusätzlich ein kleines Geschenk ab.
Titelfoto: Depositphotos