Ist Freundlichkeit für Redner im Ehrenamt eine Notwendigkeit?

Ist Freundlichkeit für Redner im Ehrenamt eine Notwendigkeit?

Es gibt da diese Szene, die sich in vielen Vereinen auf verblüffend ähnliche Weise abspielt:
Ein engagierter Ehrenamtlicher betritt die Bühne. Akkurat gekleidet, sachlich vorbereitet, mit einem Stapel Notizen, der dicker ist als das Telefonbuch einer Großstadt.

Die Fakten stimmen. Der Ablauf auch. Nur eines fehlt: eine Spur Wärme. Eine Prise Herzlichkeit. Ein Funke freundliche Verbindung.
Das Publikum hört zu, aber es fühlt sich an wie das Öffnen einer Dose Ravioli: reichhaltig, aber ohne Duft, ohne Würze, ohne Liebe.

An diesem Punkt kommt die Frage ins Spiel, die viele Redner im Ehrenamt unterschätzen:
Ist Freundlichkeit auf der Bühne eigentlich Pflicht oder bloß Dekoration?
Die kurze Antwort: Pflicht.
Die lange Antwort: Lass uns eintauchen.

Freundlichkeit ist übertragbar.

Maik Vierling

1. Warum Freundlichkeit im Ehrenamt anders zählt als im Berufsleben

Ehrenamt basiert auf etwas ziemlich Seltenem:

  • Menschen schenken Zeit,
  • Energie und oft auch
  • die letzten Nerven.

Und das alles freiwillig. Niemand muss dort stehen. Keiner kassiert Überstunden. Niemand wird reich. (Außer vielleicht an Erfahrung und Falten.)

Darum ist Freundlichkeit im Ehrenamt kein „Nice-to-have“.
Sie ist das soziale Schmiermittel, das aus einer Ansprache ein Gemeinschaftserlebnis macht.

Im beruflichen Umfeld wirkt Freundlichkeit oft wie ein Bonuspunkt.
Im Ehrenamt wirkt sie wie eine Energieversorgung:
Man merkt erst, wie wichtig sie ist, wenn sie plötzlich fehlt.

Das Publikum eines gemeinnützigen Vereins besteht aus

  • Unterstützern,
  • Freiwilligen,
  • Mitgliedern,
  • Spendern und
  • Menschen, die sich engagieren, weil ihnen etwas am Herzen liegt.

Wer hier spricht, spricht nicht zu Konsumenten, sondern zu Mitstreitern.
Eine freundliche Grundhaltung ist daher kein rhetorisches Accessoire, sondern Ausdruck von Respekt.

Freundlichkeit fördert die Akzeptanz.

Franz Schmidberger

2. Drei Missverständnisse über Freundlichkeit

Missverständnis 1: Freundlichkeit = Schwäche

Nein. Freundlichkeit ist nicht das Gegenteil von Autorität.
Ein Redner kann gleichzeitig klar, bestimmend und freundlich sein.
Man könnte sogar sagen: Die freundlich vorgetragene Wahrheit landet oft tiefer als der hart ausgesprochene Kommandoton.

Missverständnis 2: Freundlichkeit ist nur für „geborene Menschenfreunde“

Falsch. Freundlichkeit ist keine Charakterfrage, sondern eine Entscheidung.
So wie beim Schokoregal im Supermarkt: Man entscheidet sich bewusst, ob man heute die Zartbittervariante mitnimmt (Freundlichkeit) oder die 90%-Kakao-Harte-Schale-Variante (Bürokratie).

Missverständnis 3: Freundlichkeit wirkt unprofessionell

Gerade im Ehrenamt ist das Gegenteil der Fall.
Freundlichkeit macht professionelle Inhalte zugänglicher.
Eine Rede kann inhaltlich brillant sein, aber ohne Wärme bleibt sie nur ein Informationshäppchen im Kühlschrank.

Mißverständnisse, die man nicht ausräumt, wuchern wie Unkraut.

Gerlinde Nyncke

3. Die psychologische Wirkung: Das Publikum öffnet die Ohren, wenn der Redner das Herz öffnet

Wenn ein Redner freundlich begrüßt, sich kurz bedankt oder eine humorvolle Bemerkung macht, passiert im Publikum etwas Magisches:
Der innere Schultergurt, den viele Zuhörer unbewusst tragen („Bitte nicht langweilig werden, bitte nicht peinlich werden…“), lockert sich.

Warum?
Weil Freundlichkeit Sicherheit signalisiert.
Und Sicherheit öffnet die Tür für Aufmerksamkeit.

Publikumspsychologie in drei Sätzen:

  1. Menschen hören lieber Menschen zu, die sie mögen.
  2. Menschen mögen Menschen eher, die freundlich auftreten.
  3. Menschen vertrauen Informationen von Personen, die sie mögen und die freundlich wirken.

Wenn du also etwas Wichtiges sagen möchtest, sei freundlich.
Das ist keine Manipulation, sondern schlicht menschliche Natur.

Wir sind freundlich mit Anderen, weil es uns gut tut.

Alfred Selacher

4. Die Wirkung auf den Redner selbst

Überraschung: Freundlichkeit ist nicht nur ein Geschenk an das Publikum.
Sie wirkt auch nach innen.

Eine freundliche Grundhaltung:
– senkt die eigene Anspannung
– macht die Stimme wärmer und stabiler
– verwandelt Angstenergie in Kontaktbereitschaft
– erzeugt ein Gefühl von „Ich bin hier, um etwas Gutes zu tun“ statt „Ich werde hier bewertet“

Viele Ehrenamtliche kennen den Moment, wenn sie vor dem Mikro stehen und denken: „Warum habe ich eigentlich Ja gesagt?“
Freundlichkeit, sich selbst und anderen gegenüber, nimmt dieser inneren Stimme den Wind aus den Segeln.

Freundlichkeit ist mehr wert, als sie kostet.

Fred Ammon

5. Woran erkennt man freundliche Redner?

Freundlichkeit ist sichtbar, hörbar und spürbar. Ein paar typische Merkmale:

5.1. Stimme

Ein warmer Tonfall. Keine monotone KI-stimme. Kein Befehlston wie beim Militärappell.
Ein Tempo, das dem Publikum erlaubt mitzudenken, statt wie einem verpassten Bus hinterherzurennen.

5.2. Körpersprache

Offener Stand, entspannt, freundlicher Blickkontakt.
Ein echtes Lächeln. Nicht die Variante, die aussieht, als würde man Zahnschmerzen verbergen.

5.3. Wortwahl

Wertschätzend, klar und präzise.
„Wissen Sie, wie sehr ich mich freue, dass Sie heute da sind?“ wirkt anders als „Lasst uns jetzt beginnen“.
Freundliche Sprache schafft Bindung.

5.4. Umgang mit Pannen

Pannen sind keine Katastrophen. Sie sind Chancen.
Der Projektor funktioniert nicht?
„Dann reden wir heute eben analog. Retro ist ja wieder in.“
Freundliche Selbstironie macht sympathisch.

Ein freundlich Wort findet immer guten Boden.

Jeremias Gotthelf

6. Typische Stolperfallen und wie man sie vermeidet

Stolperfalle 1: Überfreundlichkeit

Zu viel des Guten wirkt unauthentisch.
Das Publikum merkt sofort, wenn jemand gerade versucht, der neue Sunnyboy zu werden.

Stolperfalle 2: Floskeln

„Meine Damen und Herren, ich freue mich außerordentlich…“
Wenn der Satz nur aus Höflichkeitsprogramm besteht, verpufft die Wirkung.
Besser: kurz, ehrlich, menschlich.

Stolperfalle 3: Freundlichkeit mit Rückgrat verwechseln

Freundlich sein heißt nicht: alles und jeden akzeptieren.
Auch freundliche Redner setzen Grenzen, klar, aber respektvoll.

Freundlichkeit ist heute noch eine gute Reklame.

Otto Baumgartner-Amstad

7. Drei kurze Fallbeispiele aus der Ehrenamtspraxis

Beispiel 1: Die Begrüßung, die alles verändert

Ein Vereinsvorsitzender begrüßt nicht einfach „sehr geehrte Damen und Herren“, sondern erwähnt kurz die Mühe der Helfer, bedankt sich mit einem ehrlichen Lächeln und sagt:
„Schön, dass wir hier heute gemeinsam etwas bewegen können.“
Die Energie im Raum springt messbar nach oben.

Beispiel 2: Die Zwischenfrage

Während eines Vortrags stellt jemand eine kritische Frage.
Variante A (unfreundlich): „Dazu komme ich später.“
Variante B (freundlich): „Gute Frage, danke! Ich gehe gleich darauf ein, es passt perfekt zum nächsten Punkt.“
Der Unterschied ist spürbar. Das Publikum bleibt offen statt skeptisch.

Beispiel 3: Der technische Aussetzer

Die Präsentation friert ein.
Variante A (genervt): genervtes Seufzen, hektisches Klicken.
Variante B (freundlich): „Ich sehe, die Technik gönnt sich gerade eine Kaffeepause.“
Lachen im Publikum. Situation entschärft.

Sei freundlich; der Weg zur Vernunft führt über das Herz.

8. Übungen in Freundlichkeit, die sofort helfen

Übung 1: Die 10-Sekunden-Warmherzigkeitsregel

Bevor du sprichst: einmal lächeln, einen tiefen Atemzug nehmen und dir kurz bewusst machen, wem du heute etwas Gutes tust.

Übung 2: Die Freundlichkeitsbrücke

Beginne jede Rede mit einem Satz, der das Publikum abholt:
„Ich weiß, viele von euch kommen direkt aus der Arbeit. Danke, dass ihr trotzdem hier seid.“

Übung 3: Fehlerfreundlichkeit

Stolperst du über ein Wort?
Mach eine kurze Pause, lächle und sag: „Das war die Testversion. Jetzt kommt die richtige.“
Funktioniert immer.

Übung 4: Der beste-Freund-Test

Überlege dir: Würde ich diesen Satz auch zu meinem besten Freund sagen?
Wenn ja, ist er meistens freundlich genug.

Freundlichkeit zahlt sich aus in der Welt. Oft kommt sie sofort zurück.

Franz Mederer

9, Freundlichkeit als strategisches Werkzeug

Freundlichkeit ist kein Zufallsprodukt. Sie ist auch kein „Kuschelthema“.
Sie ist ein strategisches Instrument für Vereinskommunikation.

Freundliche Redner
– erzeugen Vertrauen
– schaffen Verbundenheit
– motivieren Freiwillige
– erhöhen die Bereitschaft, mitzuarbeiten
– steigern sogar die Spendenbereitschaft

Menschen unterstützen keine Projekte.
Menschen unterstützen Menschen.
Und freundliche Menschen werden lieber unterstützt als mürrische.

Du hast freundliche Augen? Dann wirst du viele liebenswürdige Menschen sehen.

Peter Hohl

10. Schlussgedanken

Die Frage war: Ist Freundlichkeit für Redner im Ehrenamt eine Notwendigkeit?
Die Antwort lautet: Ja, aus tiefsten menschlichen, psychologischen, strategischen und zwischenmenschlichen Gründen.

Freundlichkeit ist das, was eine Rede vom reinen Informationsaustausch zum verbindenden Erlebnis macht.
Sie ist die Brücke zwischen Bühne und Publikum, die fast alles leichter, angenehmer und wirkungsvoller macht.

Man kann also sagen:
Freundlichkeit ist nicht die Sahnehaube auf der Rede. Sie ist der Teig, aus dem der Kuchen überhaupt erst entsteht.

Wahrheit kann man auch freundlich sagen!

Bist du an weiteren Themen und Informationen zum Reden vor Publikum im Ehrenamt interessiert, dann melde dich hier kostenlos zu meinem interessanten Newsletter an – kostenfrei.

Titelbild von Depositphotos.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert