Sollen Ehrenamtliche im Team alle gleich behandelt werden?

Sollen Ehrenamtliche im Team alle gleich behandelt werden?

Mit der Antwort auf die Frage, ob Ehrenamtliche in einem Team alle gleich behandelt oder aber individuell behandelt werden sollen, tun sich viele schwer. Da gehen die Meinungen oft sehr weit auseinander.

Es gibt die einen, die der festen Meinung sind, damit alle gerecht behandelt werden, müssten alle gleich behandelt werden. Auf der anderen Seite herrscht die Meinung, dass eine Gleichbehandlung von allen Ehrenamtlichen, alles andere als fair ist. Dieser Auffassung bin ich auch.

Bei Menschen, die von sich behaupten, dass sie alle gleich behandeln, haben wir oft das schreckliche Gefühl, dass sie wirklich alle gleich behandeln: gleich schlecht.

Ernst Ferstl

Alle Menschen sind verschieden und alle sind einzigartig. Die Ehrenamtlichen besitzen alle verschiedene Werte, Geschicklichkeiten, Talente, Fertigkeiten, Potenziale. Jeder verfügt über Stärken und Schwächen, die es ermöglichen, auf unterschiedliche Weise zum Gelingen beizutragen – auch wenn sie die gleiche Art von Arbeit ausüben. Jeder Ehrenamtliche hat unterschiedliche Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen.

Wer Ehrenamtliche gleich behandelt, unterdrückt ihre einzigartige Fähigkeit

Wer versucht diese sehr verschiedenen Ehrenamtliche so zu führen, dass sie alle gleich behandelt werden, leugnet ihre Einzigartigkeit, was entfremdend auf sie wirkt. Kein Freiwilliger möchte sich austauschbar fühlen. Sie erwarten von den Führungskräften, dass diese ihre Einzigartigkeit anerkennen.

Wenn man verschiedene Leute gleich behandelt, unterdrückt man ihre einzigartige Fähigkeit, sich auf ihre eigene Weise einzubringen.

Mit anderen Worten ausgedrückt, es gibt Teamleiter, die ihre Ehrenamtlichen fördern und es gibt die, welche sie behindern. Erstere vergleichen ihre Führungsrolle mit einem Schachspiel. Letztere mit dem Damespiel. Beim Damespiel sind alle Figuren gleich. Beim Schach gibt es verschiedene Figuren mit unterschiedlichen strategischen Stärken.

Ein Teamleiter, der seine Führungsaufgabe wie ein Damespiel ansieht, behandelt seine Freiwilligen alle gleich. Ein Teamleiter, der das Schachspiel vorzieht, versteht, dass die Ehrenamtliche verschieden sind und behandelt sie auch dementsprechend. Ein guter Teamleiter weiß, dass es töricht ist, jeden Freiwilligen gleich zu behandeln. Hier gibt es indes zehn Gründe, warum du jede Person, die du führst, anders behandeln musst:

1. Es sind unterschiedliche Persönlichkeiten

Jeder Mensch auf Erden ist schließlich einzigartig. Anders ausgedrückt: Jeder Mensch ist anders und anders als jeder andere Mensch. Keine zwei Freiwillige in deinem Team sind genau gleich, unabhängig davon, ob sie nach einem Persönlichkeitstest nahe beieinander liegen. Die von dir angegebene Richtung wird immer durch die Linse der verschiedenen Persönlichkeiten in deinem Team betrachtet.

2. Es gibt verschiedene Rollen

Die Leute in deinem Team haben unterschiedliche Rollen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Diese Rollen unterscheiden sich von anderen Rollen mit besonderen Anforderungen, Prioritäten, Fristen und Programmen. Die Herausforderungen und Chancen der Rollen sind unterschiedlich.

3. Jeder verfügt über eigene Talente

Ein Talent ist etwas, was dir leicht fällt, was du besser machst als alle anderen. Jeder verfügt über Talente, über seine spezifischen Talente. Wenn jeder Ehrenamtliche die gleichen Talente besäße, würde den Notleidenden nicht so geholfen, wie es sein sollte.

4. Man unterscheidet verschiedene Fachkompetenzen

Deine freiwilligen Mitarbeiter haben nicht nur ihre eigenen Talente. Sie besitzen auch unterschiedliche Kompetenzniveaus innerhalb ihrer Fähigkeiten. Einige haben Aspekte ihrer Rollen gemeistert, während andere noch am Anfang stehen und viel vor sich haben.

5. Die Erfahrungswerte sind verschieden

Erfahrung ist nicht immer mit Kompetenz gleichzusetzen. Ein Ehrenamtlicher, der wenig Erfahrung in einer Rolle oder in der Anwendung einer Fähigkeit hat, braucht sicherlich mehr praktische Führung, als jemand, der sich im Laufe der Zeit viele Kenntnisse angeeignet hat, die sich bewährt haben. 

6. Sie befinden sich in verschiedenen Lebensabschnitten

Du hast wahrscheinlich Teammitglieder, die keine Kinder haben und welche die bereits Eltern oder Großeltern sind. Die verschiedenen Lebensabschnitte haben Einfluss auf Urlaubsrhythmen, auf Tagesablaufrhythmen, auf das Gesundheitsverhalten, auf persönliche Hoffnungen, auf Freuden.

7. Die Dauer der Zugehörigkeit

Es gibt einige, die bereits seit vielen Jahren in deinem Team sind, andere sind noch unerfahren. Diejenigen, die seit vielen Jahren dabei sind, verstehen die interne Vereinskultur genauer. Sie wissen, wie die Dinge wirklich gemacht werden und welche Erwartungen sie haben.

8. Die Umgangsformen der Kommunikation variieren

Die Kommunikationsarten sind mittlerweile sehr vielfältig. Es gibt Leute, die das gesprochene Wort bevorzugen. Andere haben eine Vorliebe für die geschriebene Kommunikation, da sie hier ihre Nachricht sorgfältiger verarbeiten und ihre Gedanken besser vermitteln können. Einige kommen voll zur Geltung mit spontanen Aussagen, wieder andere dagegen bevorzugen Vorausplanungen.

Ich will an dieser Stelle nicht auf die verschiedenen, heute möglichen, Kommunikationsmittel zu sprechen kommen. Es würde diesen Rahmen hier sprengen.

9. Es gibt Kämpfe und Schmerzen

Wir alle kämpfen (für die Gesunderhaltung unseres Körpers, für Freiheit, für Gleichberechtigung, für einen guten Zweck…), aber wir kämpfen auch alle anders. Wir alle erleiden Momente mit Schmerzen und auch hier reagieren wir alle anders.

10. Die Motivatoren sind unterschiedlich

Du hast freiwillige Mitarbeiter in deinem Team die ihre Motivation aus ihrem Inneren (intrinsische Motivation) beziehen. Andere erwarten ehrliche positive Feedbacks (extrinsische Motivation), um ihre Motivation zu steigern.

Wie du aus diesen zehn Ursachen ersehen kannst, sind deine ehrenamtlichen Mitarbeiter, die du führst, sehr verschieden voneinander. Eines steht auf jeden Fall fest, sie sind noch komplexer und kreativer als Schachfiguren. Sie sind auch ohne Zweifel viel verflochtener als die Figuren aus dem Damespiel. Deshalb ist Schach auch schwieriger zu spielen als Dame. Ehrenamtliche in einem Team individuell zu führen ist aufwändiger als, wenn alle gleich behandelt werden.  

Es gibt aber auch hier Möglichkeiten, wie man für verschiedene Charaktere die passenden Führungsstile finden kann. Ken Blanchard wurde u. a. bekannt, nachdem er sein Modell über „situatives Führen“ vorstellte. Er forderte die Führungskräfte heraus ihr Führungsverhalten an die Entwicklung der Mitarbeiter, die sie führen, anzupassen. Diese Angleichung sollte für verschiedene Merkmale der ehrenamtlichen Rolle von den einzelnen Personen erfolgen. Beispielsweise: Weil jemand verschiedene Kompetenzniveaus für verschiedene Aspekte seiner Arbeit aufweist, braucht er verschiedene Führungsstile. Dabei unterscheidet man Ehrenamtliche die:

–              eine niedrige Kompetenz und einen hohen Einsatz aufweisen. Sie brauchen einen gerichteten Führungsstil,

–              eine niedrige Kompetenz und einen niedrigen Einsatz erkennen lassen. Diese brauchen einen nachsichtig fördernden Führungsstil,

–              einen hohen Kompetenzanteil und schwankenden Einsatz vorlegen. Sie brauchen einen unterstützenden Führungsstil,

–              eine hohe Kompetenz bei hohem Einsatz beweisen. Sie benötigen einen delegierenden Führungsstil.

Es ist nicht fair, wenn alle gleich behandelt werden

Es ist nicht fair, jemanden zu vernachlässigen, der einen gerichteten Führungsstil benötigt, ihm aber mit einem delegierenden Führungsstil zu begegnen. Ebenfalls unfair ist es jemanden, der in der Lage ist, mit weiser Delegation umzugehen, einem gerichteten Führungsstil auszusetzen. Es ist nicht fair alle gleich zu führen.

Ich kann mir vorstellen, dass es jetzt Führungskräfte gibt, die denken: „Dieses Model verlangt von mir, dass ich meinen Führungsstil an die Ehrenamtlichen anpassen soll? Ich soll meinen Führungsstil an die anpassen, die ich führe?“

Der Schuh soll sich dem Fuß anpassen, nicht umgekehrt.

Helmut Glatz

Weise Teamleiter passen ihren Führungsstil an die Freiwilligen an, die sie führen. Anders ausgedrückt, weise Leader sind Diener. Sei du der Schuh, der dem Fuß den richtigen Stand gibt!

Sieht es in deinem ehrenamtlichen Verein ebenfalls so aus? Gib mir ein Feedback, hier unten in den Kommentaren.

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

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